Der Chiemsee-Tsunami

Der Chiemsee-Tsunami – Geologie und Mensch

 Kiesabbau nahe dem Chiemsee hat eine Abbauwand freigelegt, die eine größere Diamiktit-Ablagerung mit einer intensiven Kreuzschichtung zeigt. Das Material des Diamiktits zeigt ein Korngrößenspektrum von Schluff bis zu scharfkantig gebrochenen Blöcken bis zu Metergröße. Selbst die kleinere Fraktion von Kalksteinbröckchen weist überwiegend keine Rundung auf. Kalksteingerölle sind vielfach mit multiplen Scharen von Kritzungen und Politur überzogen. Für den kreuzgeschichteten Diamiktit am Rand einer flachen Hügelkette kann eine eiszeitliche Ablagerung, beispielsweise als Endmoräne, grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die multiplen, kleindimensionierten Schichtungskörper der Kreuzschichtung und die sehr kurzen Transportwege weisen auf einen kurzzeitig in der Nähe abgelaufenen energiereichen Prozess, der als Folge eines Chiemsee-Tsunamis beim Chiemgau-Impakt (Doppelkrater im Chiemsee) interpretiert wird.

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Der Aufschluss in der Kiesgrube Eglsee mit dem intensiv kreuzgeschichteten Diamiktit und seinen ganz besonderen Merkmalen als Beleg für einen gigantischen Chiemsee-Tsunami ist ein weiterer Baustein zum besseren Verständnis der Vorgänge beim Chiemgau-Impakt, der die postglaziale Geologie der Region so nachhaltig beeinflusst haben dürfte. Für einige Bereiche der Glazialforschung drängt sich auf, lieb gewonnene Vorstellungen zu überprüfen, wozu neben der eindeutig widerlegten Toteisgenese des Tüttensees bei Grabenstätt nunmehr auch das Eiszeit-Inventar in der Umrahmung des Chiemsees zählen dürfte. Wieweit ein Chiemsee-Gletscher und zugehörige Befunde in der bisher in vielfältiger Literatur dargestellten und diskutierten Form mit dem Kranz aus Endmoränen (sog. Endmoränengirlanden) um den See herum in eine Konkurrenz zu mächtigen Tsunami-„Girlanden“ gerät, werden weitere Untersuchungen zeigen. Zu einem wichtigen Element ist dabei inzwischen der neu etablierte Eglsee-Krater geworden, dem ein eigener Beitrag gewidmet ist.

Auch der Mensch muss diesen Tsunami als großen Schrecken und eine lokal spezielle Katastrophe empfunden haben, wenn davon ausgegangen wird, dass das Land um den Chiemsee zur Zeit des Impaktes bereits dicht von den Menschen der Bronzezeit/Keltenzeit besiedelt war.

Diese geologisch-menschliche Katastrophe wurde in Stöttham am Chiemsee im Rahmen einer routinemäßigen archäologischen Ausgrabung angetroffen und von den Forschern des CIRT sofort als eine Sensation angesprochen, da der Ausgrabungsbefund eine Chiemgau-Impakt-Katastrophenschicht antraf, die als weltweit einmaliger Befund eine Impakt-Katastrophenschicht sandwich-artig zwischen Siedlungsschichten, mit Artefakten datierbar in die Steinzeit/Bronzezeit und die Römerzeit, vorfand.

Dieser wundervolle Aufschluss existiert nicht mehr. Gleich nach Beendigung der archäologischen Ausgrabung des Bayerischen Landesdenkmalamtes, wurde die Grabung als unbedeutendes Post-Eiszeit-Relikt zugeschüttet.

Dass diese ursprüngliche Weltsensation noch „eins draufgesetzt bekam“, hat jüngst eine Aufarbeitung der seinerzeit vom Amt archivierten Proben durch das CIRT in Zusammenarbiet mit der ZEISS Elektronenmikroskopie gezeigt. Hier kann durch Anklicken eine Extraseite dazu besucht werden.